Smartwatches für Kinder: Kinderuhr, Fußfessel oder Sicherheitsrisiko

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Smartwatches für Kinder: Kinderuhr, Fußfessel oder Sicherheitsrisiko

Smartwatches für Kinder: Kinderuhr, Fußfessel oder Sicherheitsrisiko

Smartwatches Sind Smartphones für Heranwachsende als Einstiegs-Gerät geeignet?

Eltern auf der Suche nach dem idealen Weihnachtsgeschenk glauben, mit einer Smartwatch für Ihr Kind einen idealen Treffer zu landen. Bereits für Grundschüler scheint eine digitale Uhr mit Internetverbindung – noch vor dem eigenen Smartphone – das Einstiegsgerät der Wahl zu sein. Doch welchem Irrtum liegen Eltern auf? 

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    Der große Renner unter dem Weihnachtsbaum?
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    Die Vorteile der Smartwatches
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    Die Nachteile der Geräte
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    Smartwatch für Kinder: Fußfessel oder 24-Stunden-Hotline?
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    Rechtlich fraglich? In der Schule verboten?
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    Smartphone oder Smartwatch auf dem Schulweg: Vorsicht, Gefahrenquelle
  7. 7
    Datenschleuder: Smartwatches sind für Hacker fette Beute
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    Fazit: Smartwatches für Kinder nicht nur überflüssig, sondern auch schnell out

Der große Renner unter dem Weihnachtsbaum?

Bei der Smartwatch handelt es sich um eine Digitaluhr fürs Handgelenk sowie ein Mini-Smartphone in Einem. Oft verfügen die Uhren, welche bereits ab 40 Euro über die Ladentheke gehen, über einen Touchscreen, eine Kamera sowie Spiele-Apps. Damit soll laut Anpreisungen in redaktionellen Werbe-Blogs der „sanfte Einstieg“ in die digitale Welt gelingen. Aber auch Smartwatches bekannter geschlossener Betriebssysteme, welche schnell das 10-fache einer speziellen Kinder-Smartwatch kosten, sind bei Heranwachsenden beliebt. 

Die Narrative der Kinder-Smartwatch-Hersteller ist meist diese: Eltern sind digital souveräne Helden, die ihre Kinder vor dem Bösewicht – wahlweise vor mobbenden Mitschülern, fiesen Lehrkräften oder vor der Kontaktaufnahme durch Fremde – beschützen wollen. Sie verleihen ihren Kindern mit der Smartwatch den perfekten „Zauberstab“, mit dem diese dann im Notfall ihr Eltern-Taxi herbeirufen können oder mit dem verschwundene Kinder mittels GPS wiedergefunden werden. Gleichzeitig darf der Nachwuchs bereits an der digitalen Welt mit einem ersten eigenen Gerät teilnehmen – ohne gleich zum Smartphone greifen zu müssen.  

Da die meisten Kinder bereits mit den Smartphones und Tablet-PCs der Eltern ihre digitale Fingerfertigkeit beweisen, ist das Argument der Medienkompetenz nur ein vorgeschobenes. Anzunehmen ist daher, dass die Angst und Sorgen der Eltern sowie die Bitten der Kinder („Der Marvin aus der 4b hat die gleiche!!“) den Hauptausschlag für den Kauf geben. 

Die Vorteile der Smartwatches

Mit einem Tipp aufs Armgelenk die Eltern anrufen oder eine Sprachnachricht hinterlassen: Für viele Eltern liegen die Vorteile so einer Uhr, angesichts des noch zu jungen Alters für ein Smartphone, klar auf der Hand. 

  • Mit einem speziellen SOS-Button können Kinder um Hilfe rufen, 
  • via GPS-Ortung lässt sich der Aufenthaltsort der Kinder feststellen, 
  • mit einigen Modellen lässt sich sogar ein bestimmter Aufenthaltsbereich vordefinieren, außerhalb dessen die Uhr eine Nachricht an die Eltern schickt, 
  • der Schulmodus (ähnlich einem Flug-Modus beim Smartphone) soll Lehrkräfte davon, überzeugen, dass mit der Uhr in der Schule kein Schabernack getrieben wird, 
  • mit der eingebauten Kamera können Eltern und Kinder einen Video-Call aktivieren, 
  • für Abwechslung gegen Langeweile sorgen eingebaute Spiele-Apps (wenn auch diese für Kinder unattraktiv sind, da Smartphone-Games deutlich spannender sind), 
  • und einige Modelle sind sogar wasserdicht. 

Die Nachteile der Geräte

Dass eine Smartwatch drei Wünsche (Spannung, Spiel und Überwachung) auf einmal erfüllt, bringt auch ein paar Nachteile mit sich:  

  • komplizierte Bedienung: Bei vielen Modellen ist die Steuerung mit dem kleinen Touchscreen umständlich. 

  • Akkulaufzeit: Leider verbrauchen einige Funktionen wie das GPS-Tracking eine Menge Strom. (Und wer kümmert sich um das Aufladen?) 

  • Verlust, Diebstahl, Neid: Heranwachsende lassen auch mal Dinge liegen und Gelegenheit macht Diebe. 

  • Datenschutz: Fußfessel oder sogar Trojaner? (Siehe unten.) 

  • bei einigen Smartwatches ist ein uneingeschränkter Internetzugang möglich 

  • bei manchen Modellen ist ohne Extra-Smartphone nur ein eingeschränkter Funktionsumfang möglich 

Smartwatch für Kinder: Fußfessel oder 24-Stunden-Hotline?

Früher spickten Eltern ins Tagebuch der Kinder, wenn sie ihren Kindern nicht vertrauten. Heute bekommt das Kind eine Smartwatch: Mit dieser Einleitung karikierte Extra-3-Moderator Christian Ehring das Verhalten einiger Eltern. 

Ob Smartphones den „Zugang zur digitalen mobilen Kommunikation“ erleichtern oder als Fußfesseln die Selbstständigkeit der Kinder unterwandern – darüber stritten auch zwei Eltern eines Schweizer Eltern-Magazins. André Zeiger, Befürworter von Smartwatches, rät trotz seiner positiven Haltung zu den Geräten dazu, auf die Tracking-Funktion zu verzichten – zumal diese die Akkulaufzeit der Uhren stark verkürzt. Den Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass man sie rund um die Uhr überwacht, ist laut Zeiger kein pädagogisch wertvolles. Eltern, die ihren Kindern zeigen wollen, dass sie ihnen vertrauen, sollten deshalb die GPS-Funktion deaktivieren. 

Auch die ständige Erreichbarkeit mithilfe der Uhren wird nicht gutgeheißen. Anita Zulauf schreibt in wireltern.ch:  

„unsere Kinder haben etwas Besseres verdient, als mit Smartwatch und Co überwacht zu werden. Vor verschlossener Haustür stehen und keiner ist daheim? Den Bus verpassen? So ist das Leben nun mal. Dann wartet man, bis jemand nach Hause kommt. Oder man nimmt den nächsten Bus. Seltsam, dass wir unseren Kindern so wenig zutrauen.“ 

Dass Kinder durch unvorhergesehene Situationen, in denen sie Entscheidungen treffen müssen, gestärkt werden, steht für die Autorin außer Frage. Ihr Fazit: Eigenverantwortung lernt sich besser ohne eine digitale 24-Stunden-Hotline am Armgelenk.

Rechtlich fraglich? In der Schule verboten?

Viele Schulen verbieten in ihrer Handyordnung neben der Nutzung von Smartphones auch Smartwatches, da diese über die gleichen Funktionen verfügen. Einige Hersteller haben nachgelegt und deshalb eine „Schulfunktion“ integriert, welche wie ein Flugmodus alle Funktionen bis auf die Uhr deaktiviert. Dies soll besorgte Lehrkräfte davon überzeugen, dass die Geräte auch im Unterricht am Armband bleiben dürfen. Dennoch bleibt den Schulen vorbehalten, Smartwatches oder Smartphones an der Schule zu verbieten. 

Smartphone oder Smartwatch auf dem Schulweg: Vorsicht, Gefahrenquelle

Dass Kinder ständig erreichbar sein müssen, war im Kindergarten für die meisten Eltern (und Kinder) kein Thema. Warum also in der Grundschule? Hier wird argumentiert, dass sich Kinder mit einer Smartwatch sicherer fühlen. Die Intention dahinter (Sicherheit auf dem Schulweg) muss aber entkräftet werden:  Studien 2013 und 2020 zeigten, dass das Hauptrisiko auf dem Schulweg von den Eltern(-Taxis) ausgeht. Eine weitere Gefahrenquelle auf dem Schulweg sind das Smartphone oder andere technische Gadgets mit Ablenkungspotenzial! Die österreichische Verkehrspsychologin Marion Seidenberger warnt: Kinder, die wie Smombies (neudeutsch für “Smartphone-Zombies”) auf ihr Smartphone oder ihre Smartwatch starren, sind häufiger abgelenkt und können leichter in einen Unfall verwickelt werden. 

Datenschleuder: Smartwatches sind für Hacker fette Beute

Sicherheitsexperten kritisierten ein paar gravierende Sicherheitsprobleme bei Smartwatches: Standort-Daten wurden bei einigen Modellen unverschlüsselt an Server weitergeleitet und die Geräte wurden oftmals nur mit einem Standard-Passwort geschützt, welches leicht zu erraten ist. Hacker zeigten in Tests, wie sie Standortdaten, Telefonnummern oder Fotos, die auf den Firmenserver der Smartwatch-Hersteller lagen, abrufen konnten. Ein Kinderspiel war dann, tägliche Gewohnheiten wie den Weg zur Schule sowie den aktuellen GPS-Standort zu rekonstruieren. Hacker konnten bei einigen Modellen sogar die Standort-Daten manipulieren oder die Uhr zum Abhören von Gesprächen einsetzen. Eltern wird daher geraten, besser Markenprodukte zu kaufen und bei den Smartphones die Geräte-Software zu aktualisieren.    

Vor ein paar Jahren verstießen Smartwatches sogar gegen das Grundrecht der Privatsphäre: So konnten Eltern mit einigen Modellen ohne Wissen des Trägers das eingebaute Mikrofon einschalten und ihre Kinder abhören! Der Verkauf von Uhren mit dieser als „Monitor- oder Babyfunktion“ beworbenen Einstellung wurde 2017 von der Bundesnetzagentur untersagt

Fazit: Smartwatches für Kinder nicht nur überflüssig, sondern auch schnell out

„Das braucht kein Kind“, schreibt Patrick Konrad vom Portal elterngeld.de. Seinem kritischen Fazit, dass Smartwatches überflüssig seien, schließen sich auch andere Experten an. Vor allem die Nachhaltigkeit der Geräte, welche schneller auf dem Technikfriedhof landen (und die Umwelt belasten) als Tamagotchi-Uhren in den Nuller-Jahren, sollte Eltern zu denken geben: 

Denn Smartwatches für Kinder haben eine ähnlich kurze Nutzungsdauer wie Kinder-Tablets. Letztere sind unter Heranwachsenden nicht nur unbeliebt, weil peinlich, sondern haben nach kurzen zwei bis drei Nutzungsjahren (im Alter von drei bis sechs) schnell ausgedient. Ein ähnliches Schicksal wartet auch auf die Kindersmartwatches, welche spätestens beim Eintritt in die weiterführende Schule von Kindern entsorgt bzw. verweigert werden. Da unter Grundschülern fast die Hälfte aller Kinder ein eigenes Smartphone besitzt, werden die Kinder-Smartwatches langfristig den Kürzeren ziehen und schnell aus der Mode kommen. Ausnahme: teure Smartwatches von Markenherstellern, welche für die Kinder ein Prestige-Objekt, ähnlich wie das gleichnamige Smartphone, darstellen.  

Eltern, die ihre Kinder sanft an die digitale Welt heranführen wollen, empfehlen wir eine kostengünstigere, wenn auch zeitintensive Variante: einen Mediennutzungsvertrag sowie festgelegte gemeinsame Game-Time in der Familie. Diese kann vor der Spielkonsole sowie abwechselnd vor dem Esstisch und einem Brettspiel verbracht werden.  

Stand: Dezember 2022

Weiterführende Informationen

Über den Autor

Christian Reinhold ist seit über 10 Jahren Redakteur der Initiative Kindermedienland. Privat fotografiert er leidenschaftlich gern und spielt Gitarre.