Instagram | Wie toxisch ist Instagram für Jugendliche? Oder warum Eltern Instagram überdenken sollten.

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Instagram | Wie toxisch ist Instagram für Jugendliche? Oder warum Eltern Instagram überdenken sollten.

Wie toxisch ist Instagram für Jugendliche? Oder warum Eltern Instagram überdenken sollten.

Jugendliches Mädchen sitzt alleine auf Stuhl und schaut aus dem Fenster
Instagram Zehn Gründe, warum Eltern die Instagram-Nutzung ihrer Kinder überdenken sollten. (Foto:  Anthony Tran  / Unsplash)

Das Wall Street Journal veröffentlichte Mitte September interne Papiere von Instagram. Diese belegen, wie schädlich die App insbesondere für Jugendliche ist. Doch warum hat der Meta-Konzern (ehemals Facebook) diese Daten der Öffentlichkeit verschwiegen? Zehn Gründe, warum Eltern die Instagram-Nutzung ihrer Kinder überdenken sollten.

Ende September 2021 veröffentlichte das US-amerikanische Finanzblatt Wall Street Journal eine mehrteilige Serie über die Machenschaften des Meta-Konzerns, zu dem auch die Instagram-App gehört. Im Artikel „Facebook Knows Instagram Is Toxic for Teen Girls, Company Documents Show” publizierte das Blatt mehrere Forschungsergebnisse, die bereits seit 2019 dem Meta-Konzern vorlagen und der Öffentlichkeit verschwiegen wurden. Mittlerweile hat Meta die Forschungsergebnisse – in denen über 22.000 Instagram-Nutzer*innen befragt wurden - veröffentlicht und kommentiert. Hier geht es zu den beiden Präsentationen:

Instagram-Teen-Annotated-Research-Deck-1 (PDF)

Instagram-Teen-Annotated-Research-Deck-2 (PDF)

Die Kommentierungen seitens Meta sollen die Aussagekraft der Ergebnisse abschwächen und zeigen, dass Instagram auch positive Effekte hat und die Anstrengungen Metas zur Lösung des Problems hervorheben. Die Krisen-PR gegenüber den Veröffentlichungen wurde medial mehrfach kritisiert. Laut aktueller Zahlen (2022) sind über 50 Prozent der Instagram-User*innen zw. 16 und 29 Jahre alt und tragen maßgeblich zu dem 116 Milliarden $ schweren Jahresumsatz von Meta bei.

Doch was brachten die internen Untersuchungen hervor und welche anderen wissenschaftlichen Ergebnisse existieren rund um die Frage „Wie schädlich ist Instagram?“. Hier die Hauptargumente, warum Eltern die Nutzung von Instagram überdenken sollten:

  1. 1
    Instagram weiß, dass Eltern unfähig sind, ihre Kinder zu schützen
  2. 2
    Instagram lässt Jugendliche mit Suizid- und Selbstverletzungsabsichten allein
  3. 3
    Instagram fördert Depressionen und Angstzustände
  4. 4
    Instagram verschlechtert Schlaf
  5. 5
    Instagram fördert Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper
  6. 6
    Instagram ist eine „Vergleichsmaschine“
  7. 7
    Instagram ist ein Zeiträuber und lässt das Zeitgefühl schwinden
  8. 8
    Instagram fördert eine toxische Gesprächskultur
  9. 9
    Instagram erlaubt Werbung für ungesunde, unnötige Produkte – an die Zielgruppe „Jugendliche“
  10. 10
    Instagram sammelt (biometrische) Daten

Instagram weiß, dass Eltern unfähig sind, ihre Kinder zu schützen

Aus den internen Dokumenten ging hervor, dass Kinder und Jugendliche beklagen, dass ihre Eltern ihre Instagram-Probleme nicht verstehen würden. Ihre Begründung: Da die meisten Eltern noch ohne soziale Medien aufgewachsen sind, unterschätzen sie die Tragweite von Instagram-Problemen wie Cybermobbing oder Vergleichskultur.

Obwohl Meta weiß, dass Eltern nicht in der Lage sind, ihre Kinder bzgl. Instagram zu unterstützen, erlaubt es in den Instagram-Nutzungsbedingungen die Nutzung der App bereits ab 13 Jahren. Problemlos können auch jüngere Kinder mit falschen Altersangaben die Instagram-App nutzen. Eltern sollten sich dieser unlauteren Praktik bewusst sein.

Instagram lässt Jugendliche mit Suizid- und Selbstverletzungsabsichten allein

In den veröffentlichten Studienergebnissen gaben fast 20 Prozent aller jugendlichen Instagram-User*innen an, dass sie in den letzten 30 Tagen über Selbstmord oder Selbstverletzung nachgedacht haben. Der Grund für diese Absichten ist auf Instagram selbst verortet: Meta hat herausgefunden, dass zwischen sechs und 13 Prozent aller User*innen behaupteten, dass ihre Suizid- und Selbstverletzungsabsichten durch Instagram ausgelöst wurden.

Es wurde auch untersucht, was Instagram besser machen müsste: Fast 40 Prozent der User*innen waren der Meinung, dass Instagram bei Kommentaren und Postings zu Suizid- und Selbstverletzungsabsichten eine Kommunikation mit Experten wie Psychologen oder Seelsorgern herstellen sollte.

Instagram fördert Depressionen und Angstzustände

Bereits 2017 bezeichnete die „Royal Society for Public Health“ Instagram als schädlich für Jugendliche. In ihrer Studie wurden über 1.000 Jugendliche befragt, welche Apps und sozialen Netzwerke ihren mentalen Zustand am meisten beeinträchtigen. Instagram wurde dabei als am schädlichsten bewertet, da hier vor allem der Schlaf, das Körpergefühl und FOMO („fear of missing out“) am heftigsten beeinflusst wurden. Aber auch Angstzustände und Depression wurden durch die Nutzung von Instagram verschlechtert. Die verheimlichte Meta-Untersuchung bestätigte dieses Ergebnis: Zwischen zehn und 13 Prozent der Teilnehmer*innen der Instagram-Studie gaben an, dass Trauer, Depression oder Niedergeschlagenheit ihren Ursprung auf Instagram hatten.

Eine US-Studie hatte bereits 2017 herausgefunden, dass Zustände wie Angstattacken oder Depression davon abhängen, auf wie vielen Netzwerken ein*e Nutzer*in unterwegs ist – nicht nur davon, wie viel Zeit man verbringt. Anders ausgedrückt: Die gleichzeitige Betätigung auf mehreren sozialen Netzwerken kann Symptome verschlimmern.

Der Unicef-Bericht von 2021 zur mentalen Gesundheit von Heranwachsenden rückt die Instagram-Untersuchungen in ein besonders kritisches Licht: Weltweit leben mehr als 13 Prozent der Heranwachsenden im Alter von zehn bis 19 Jahren mit einer diagnostizierten psychischen Störung. Laut der Unicef-Zahlen „begehen jedes Jahr rund 46.000 junge Menschen in dieser Lebensphase Suizid – das heißt ein junger Mensch nimmt sich alle elf Minuten das Leben. In der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen ist Suizid damit die vierthäufigste Todesursache“.

Instagram verschlechtert Schlaf

Laut Metas Untersuchungen hatten über zwei Drittel der Befragten in den letzten 30 Tagen Probleme mit dem Durchschlafen, Einschlafen oder zu langem Schlafen.

Bereits 2016 haben Studien bewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen FOMO, nächtlicher Smartphone-Nutzung und Schlafproblemen existiert. Insbesondere die Smartphone-Nutzung vor dem Zu-Bett-Gehen hatte eine Auswirkung auf die Schlafqualität. Wissenschaftler*innen weisen darauf hin, dass das LED-Licht der Smartphones den Einschlafprozess im Hirn unterdrückt, da es die Entstehung von Schlafhormonen wie Melatonin verhindert. In der gleichen Studie gab jeder fünfte Jugendliche im Alter von zwölf bis 15 an, während der Nachtruhe aufzuwachen, um sozialen Netzwerke zu nutzen. Dabei war der Anteil unter den weiblichen Jugendlichen deutlich höher: fast ein Viertel aller Mädchen wacht nachts auf, um den Nachrichteneingang zu überprüfen. Hier geht es zu den Untersuchungsergebnissen: PDF 1 und PDF 2.

Instagram fördert Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper

Die von Meta verschwiegenen Dokumente zeigen, dass jede dritte Teenagerin zugab, dass sich durch Instagram die selbst wahrgenommenen Probleme mit der eigenen Körperwahrnehmung verschlimmern. Über 40 Prozent der Instagram-User*innen bejahten, dass ihr Gefühl „nicht attraktiv genug zu sein“ auf Instagram ausgelöst wurde. Aber auch der Grund für das Gefühl, nicht genug Geld zu haben, wurde bei 40 Prozent der User*innen auf Instagram verortet.

Bereits 2017 hat eine Studie unter US-amerikanischen und australischen Frauen zwischen 18 und 25 Jahren ergeben, dass eine häufigere Instagram-Nutzung dazu führte, dass sich die Studienteilnehmer*innen eher auf ihr äußeres Erscheinungsbild reduzierten. Je häufiger sie Fitness-Influencer*innen folgten, desto mehr nahm auch die Kritik am eigenen Erscheinungsbild zu.

Instagram ist eine „Vergleichsmaschine“

Unsere finanzielle Situation, unser Körper, unsere Kleidung, unser Auto: Wir vergleichen uns dank Instagram nicht mehr allein mit den Nachbarn oder Kollegen, sondern mit der ganzen Welt. So beschreibt es die britische Psychologin Rachel Andrews. Sie beobachtet in ihrer Praxis immer mehr Patient*innen, welche den Lebensstil ihrer Mitmenschen erstreben und beneiden. Dies kann ihrer Meinung nach auf die Nutzung sozialer Netzwerke zurückzuführen sein, welche die Dimension des zwischenmenschlichen Vergleichens erweitern. Windy Dryden, eine britische Therapeutin für kognitive Verhaltenstherapie, betitelte dieses Verhalten als „Vergleicheritis“.

Auch der amerikanische Psychologe Dr. Ali Jazayeri macht die Scheinwelt der sozialen Medien verantwortlich dafür, dass sich Menschen deutlich mehr vergleichen. Vor allem Menschen, die bereits unglücklich sind, würden dazu neigen, sich mit anderen zu vergleichen und behaupten dann, dass alle glücklicher sind – außer sie selbst. Dieser Effekt würde durch soziale Netzwerke multipliziert, da hier mit einfachen Mitteln eine perfekte Realität konstruiert und kommuniziert werden kann.

Instagram ist ein Zeiträuber und lässt das Zeitgefühl schwinden

Die internen Studien von Meta brachten auch ans Licht, dass Instagram suchtartige Smartphone-Nutzung verschlimmern kann. So bestätigte jeder dritte Jugendliche aus der Studie, dass Instagram diesen Effekt verschlimmert. Ein weiteres Drittel gab an, dass Instagram problematische Social-Media-Nutzung nicht beeinflusst und ein weiteres Drittel, dass Instagram dieses Verhalten verbessert.   

Bei der Frage, was die App besser machen sollte, forderten ein Drittel alle Befragten, dass Instagram seine User*innen bei zu langer Nutzungsdauer auffordert, die App zu schließen, oder daran erinnert, eine Pause zu machen. In der Befragung gaben die Teenager*innen an, dass sie zwar wissen, dass zu lange Nutzungszeiten schädlich sind, ihnen aber die Willenskraft fehlt, die Nutzung zu zügeln. 

Laut externen Zahlen verbringen Menschen durchschnittlich fast drei Stunden pro Tag auf sozialen Medien. Davon verbringen sie ca. eine halbe Stunde auf Instagram! 

Instagram fördert eine toxische Gesprächskultur

Das Phänomen „Cybermobbing“ existierte bereits vor dem Siegeszug Instagrams. Jugendliche, die sich beleidigen, Fotos verunstalten, falsche Behauptungen oder peinliche bis sexualisierte Fotos in Umlauf bringen, Opfer aus Gruppen ausschließen, mit Fake-Accounts falsche Freundschaften vorspielen, private und persönliche Daten in Umlauf bringen – all das war bereits vor Instagram möglich. Dennoch hat die unter Jugendlichen beliebte App diese Dynamiken noch verschlimmert. 59 Prozent aller US-Teenager*innen berichteten bereits 2019, dass sie Online-Mobbing und Beleidigungen erlebt haben.

Trotz vielfältiger Möglichkeiten auf Instagram andere Teilnehmer*innen zu blockieren, beleidigende Inhalte zu melden, unsichtbar zu machen oder sein Profil auf privat zu stellen: Jugendliche finden immer wieder neue Wege, unbeliebte Personen zu verletzen und zu beleidigen. Die Methoden werden immer ausgereifter. Neben dem geheimen Zweitprofil – sogenannten „Finstas“ – wird auch die Add-Funktion genutzt, um auf anderen Kanälen unbeliebte Menschen mit verunglimpfenden Inhalten in Verbindung zu bringen. Zu den gängigen Cybermobbing-Methoden zählen Belästigung („harassment“), Maskerade („masquerading“), Ausschluss („exclusion“), Veröffentlichung sensibler Informationen („doxing“) und das Bombardieren mit Hassnachrichten („trolling“).

Instagram erlaubt Werbung für ungesunde, unnötige Produkte – an die Zielgruppe „Jugendliche“

Vom US-Senat wurde aufgrund der Veröffentlichungen kritisiert, dass Jugendliche auf Instagram mit Werbeeinblendungen erreicht werden können, die entweder schädlich oder für die Altersklasse ungeeignet sind. Die australische NGO „Reset Australia“ untersuchte Anfang 2021, wie weit es möglich ist, für Jugendliche ungeeignete Werbungen auf Instagram und Facebook zu schalten – darunter Anzeigen für Alkohol, Glücksspiel oder Online-Dating ( – der Bericht zu der Untersuchung kann als PDF heruntergeladen werden). Die meisten Probe-Anzeigen wurden trotz Überprüfung von Meta für die Veröffentlichung freigeschaltet. Auch Anzeigen zu Medikamenten, Magersucht oder Tabakkonsum konnten für die Zielgruppe der 13- bis 17-Jährige freigeschaltet werden. Eine Anzeige, die indirekt auf ein Rezept für Drogenmissbrauch – einer sogenannten „skittle party“ verlinkte, konnte für den US-Markt aktiviert werden. Die Testanzeigen wurden letztendlich nicht von der NGO ausgespielt.

Auf Instagram verdienen Millionen von Influencer*innen ihr Geld mit Sponsoring. Produktempfehlungen auf deren Kanälen können deutlich schwieriger als Werbung identifiziert werden – auch wenn sie mittlerweile gekennzeichnet werden muss, was gesetzlich festgelegt wird.  

Instagram sammelt (biometrische) Daten

Im Nachgang wurden Jugendliche in der Untersuchung von Reset Australia befragt, wie besorgt sie über die Verwendung ihrer Daten sind. Über drei Viertel aller Jugendlichen waren besorgt darüber, dass Instagram ihre Daten verwendet. Besonders kritisiert wurde, dass ihre Profile nach Interessen scanbar sind und anhand dieser Profilbildung gezielt Werbung eingeblendet werden kann.

Besonders kritisch zu bewerten ist, dass Instagram in der Lage ist, biometrische Daten zu sammeln und auszuwerten. Eine Klage wegen unrechtmäßiger Erhebung biometrischer Daten wurde 2020 gegen Meta bzw. gegen deren Instagram-App erhoben. Die Nutzer*innen der iOS 14-Beta-Version bekamen eine Benachrichtigung, dass beim Öffnen von Instagram automatisch die Kamera aktiviert wurde – ohne dass sie absichtlich eine Aufnahme gestartet hatten. Instagram behauptete später, dass es sich um einen Bug – also einen Programmierfehler – handelte.

Stand: August 2023

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