Eine schwarze Arielle: Für mehr Diversität im Kinderfernsehen

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Eine schwarze Arielle: Für mehr Diversität im Kinderfernsehen

Eine schwarze Arielle: Für mehr Diversität im Kinderfernsehen

Im Kino erobert eine schwarze Arielle die Leinwand. Der Wandel zu mehr Diversität in (Kinder)medien geht dennoch nur langsam voran. (Bild: Disney)

An den weltweiten Kinokassen sorgt eine schwarze Arielle für große Erfolge. Damit löst Disney zwar keine systemimmanenten Probleme, setzt aber ein wichtiges Zeichen, gerade für junge Menschen. Wieso Kinderfilme und kindgerechte Fernsehsendungen diverser werden sollten.

Als dieser Artikel entsteht, hat Disneys „Arielle“ bereits über 200 Millionen US-Dollar an den Kinokassen eingespielt. Der jüngste Disney-Reboot hat bereits im Vorfeld mit dem Casting einer schwarzen Hauptdarstellerin für Wirbel, aber auch für viele begeisterte Reaktionen gesorgt. Beides zeigt, wie sensibel das Thema Diversität gerade im Kinderfilmbereich immer noch ist. Das ist schade, denn in mehr Vielfalt liegen auch mehr Chancen für junge Menschen.

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    Arielle: Eine schwarze Disney-Prinzessin erregt die Gemüter
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    Wie divers sind die heutigen Kindermedien?
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    Was den Kindern mehr Diversität in Film und Fernsehen bringen kann
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    Beispiele für diverse Kinderformate
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    Wie Diversität im Alltag fördern?

Arielle: Eine schwarze Disney-Prinzessin erregt die Gemüter

Als Disney verkündete, dass mit Halle Bailey eine schwarze Schauspielerin für die Hauptrolle der „Arielle“-Realverfilmung bestätigt war, lief das Internet zu trauriger Höchstform auf. Der Hashtag #notmyariel verbreitete sich in Windeseile, es hagelte abfällige, häufig sogar offen rassistische Kommentare über die Wahl Bailey. Stein des Anstoßens war überwiegend, dass die Arielle im Disney-Zeichentrickoriginal von 1989 weißhäutig und rothaarig war. Dass es sich hier um ein Fabelwesen handelt, schien vollkommen unwichtig zu sein: Konservative Gatekeeper sahen das Casting einer schwarzen Hauptdarstellerin als unhaltbaren Bruch – und übersahen komplett, wie wichtig dieses Signal aus Hollywood war.

Insbesondere schwarze Mädchen zeigten sich begeistert, wie zahllose Reaction-Videos im Netz beweisen. Auch für Bailey ist es ein wichtiges Zeichen: „Ich freue mich, Arielle zu repräsentieren", sagte sie in einem offiziellen Statement. „Ich denke, es ist wichtig für meine Community zu sehen, dass wir auch Prinzessinnen sein können!“

Wie divers sind die heutigen Kindermedien?

Natürlich löst Disney mit einer schwarzen Arielle weder das Rassismusproblem in den USA noch die Benachteiligung schwarzer Schauspielerinnen und Schauspieler in Hollywood. Die Entscheidung ist vielmehr als kleines Zahnrad in einer gewaltigen Maschinerie des Wandels zu sehen, die knirschend und langsam angelaufen ist, aber jetzt immer mehr in Fahrt kommt.

Schon zuvor nahm Disney gelentlich nicht-weiße Heldinnen in den Fokus – Pocahontas etwa, Jasmin aus „Alladin“ oder Mulan. Es dauerte aber stolze 72 Jahre seit dem ersten Disney-Film „Schneewittchen“, bis wir 2009 in „Küss den Frosch auch mal eine afroamerikanische Prinzessin erleben konnten. Auffallend ist auch, dass die Disney-Heldinnen selbstbewusster, tapferer und stärker geworden sind – allesamt Eigenschaften, die lange männlichen Figuren vorbehalten waren.

Diversität fängt natürlich weder bei Disney an noch hört sie dort auf. Und trotz vieler positiver Bestrebungen und Signale fällt die allgemeine Bilanz der Diversität in den audiovisuellen Kindermedien immer noch ernüchternd aus: Nur eine von vier Figuren im Kinderfernsehen ist weiblich, und sogar nur eines von zehn (!) Fabelwesen. Insbesondere Erklärbär-Sendungen wie die „Checker“-Reihe auf dem KIKA oder auch „Die Sendung mit der Maus“ fördern das Mansplaining-Prinzip, indem sie stets (alte) weiße Männer von schlauen Dingen erzählen lassen.

Was den Kindern mehr Diversität in Film und Fernsehen bringen kann

„Kinder richten ihre Geschlechtsidentität und ihr Verhalten an den ihnen zur Verfügung stehenden Vorbildern aus, sie suchen aktiv nach Rollenmodellen und konstruieren dadurch ihr Wissen über die Geschlechter“, sagt Prof. Dr. Weertje Willms. Soll heißen: Eigenschaften, die ein Kind nicht bei seinen Vorbildern findet, schreibt es sich deutlich seltener selbst zu. Je vielfältiger, diverser und moderner das Leben in der Lieblingsserie inszeniert wird, desto vorrteilsfreier bewegen sich Kinder und Jugendliche im Alltag. Alles Fremde verliert seine Berührungsängste, wenn es von Figuren in Film und Fernsehen als ganz normal aufgefasst wird.

Letzten Endes formen Filme, Serien und TV-Sendungen unsere Gesellschaft. Je pluralistischer die Medien sind, desto pluralistischer kann unsere Gesellschaft werden. Oder wie Anna Mendel beim SWR Kindernetz sagt​​​​​​​: „Wenn wir nur weiße Männer als Chefs in Filmen, von Banken oder in der Politik sehen, glauben wir, dass es halt so ist. Und dass es immer so war und dann auch immer so sein wird. Dann akzeptieren wir das und es kann sich nichts ändern, weil es niemand ändern will.“

Beispiele für diverse Kinderformate

Viele aktuelle Kinderproduktionen folgen weiterhin dem „Schlumpfine-Prinzip“, wie es beim Deutschlandfunk genannt wird: „Einer rein männlichen Gruppe von Protagonisten mit differenzierten Charaktereigenschaften wird eine einzige weibliche Figur zur Seite gestellt, deren Hauptmerkmal ihr Geschlecht ist. Nicht selten wird jene weibliche Figur dann auch noch als extrem hilfsbedürftig und abhängig dargestellt und dient den männlichen Figuren am Ende ausgestandener Abenteuer bestenfalls als Trophäe.“

Neben vielen Negativbeispielen in Film und Fernsehen gibt es aber auch jede Menge positive Entwicklungen und Umwälzungen. Die Sesamstraße hat seit 2023 eine neue Bewohnerin, die im Rollstuhl sitzt und auf den Namen Elin hört – mehr als 50 Jahre nach Erstausstrahlung der Serie. Die Freundin der hypererfolgreichen Zeichentrickfigur Peppa Wutz tut ebenfalls etwas für mehr Diversität im Kinderfernsehen: Sie hat zwei Mamas und entstammt zur Abwechslung mal nicht dem heteronormativen Haushalt aus Mama, Papa, Kind.

Weitere positive Beispiele: Die Netflix-Serie „Ada Twist“ um eine junge Wissenschaftlerin und ihre Freundinnen oder die ebenfalls auf Netflix laufende Roman-Adaption „Der Babysitter-Club“, in der auch Geschlechteridentitäten verhandelt werden. In Disney-Kinderzeichentrickserien wie „Gravity Falls”, „Andi Mack” oder der „High School Musical”-Serie gibt es zudem homosexuelle Beziehungen.

Wie Diversität im Alltag fördern?

Neben dem Fernsehen haben auch Erziehungsberechtigte, Fachkräfte, Verwandte oder Senior:innen einen großen Einfluss auf Prägung und Erziehung von Kindern. Diese Punkte können Diversität im Alltag fördern und sind ohne großen Aufwand umsetzbar:

  • Vielfältige Begegnungen ermöglichen (gemeinsame Aktivitäten oder Ausflüge)
  • Erfahrungen mit Vielfalt thematisieren (positiv wie fremdartig)
  • Diskriminierung, Rassismus und Vorurteile thematisieren (auf Nachrichten ansprechen)
  • Diverse Literatur oder Filme zeigen und anschließend diskutieren (siehe oben)
  • Vorbild sein und ein vorurteilsfreies Leben vorleben (für Toleranz und Werte einstehen)

 

Stand: Juni 2023

Weiterführende Informationen

Über den Autor

Björn Springorum ist freier Journalist und Schriftsteller. Er schreibt u.a. für die Stuttgarter Zeitung, den Tagesspiegel und konzipiert Comic-Geschichten für “Die drei ???". Als Schriftsteller hat er bislang fünf Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zuletzt erschienen: “Kinder des Windes" (2020), Thienemann Verlag. Er lebt in Stuttgart.