Fortnite | 8 Fragen von Experten beantwortet

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Fortnite | 8 Fragen von Experten beantwortet

Fortnite – 8 Fragen von Experten beantwortet

Fortnite-Abend am Stadtmedienzentrum Stuttgart: „Mein Sohn spielt vier Stunden in der Woche, ist das ok?“

Wie kann man seine Kinder vor Fortnite schützen? Ab welchem Alter sollte man das erlauben? Und die häufigste Frage: Wie viel Stunden pro Tag ist für Kinder ratsam? So oder so ähnlich lauteten die Fragen der Besucherinnen und Besucher des Fortnite-Abends am Stadtmedienzentrum (SMZ) Stuttgart. Einige Antworten unserer Experten fielen unerwartet aus.

Beim Fortnite-Abend im Juni 2019 konnten Lehrkräfte und Eltern vor allem zwei Dinge: Fortnite ausprobieren und alle Fragen loswerden. Die Besucherinnen und Besucher hatten vor dem 90-minütigen Vortrag Zeit, das Onlinespiel auf Tablets und Konsolen anzuspielen – unter Anleitung von erfahrenen Spielern und Mitarbeitern der ComputerSpielSchule Stuttgart. Über die Hintergründe und Funktionsweise des Spiels referierten Fabian Karg vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg und Dejan Simonovíc vom Stadtmedienzentrum Stuttgart. Für den praktischen Teil des Vortrages hatten sie den 13jährige Simon Bugbee eingeladen. Als erfahrener Fortnite-Spieler führte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern live einzelne Teile des Spieles vor. Die drei Experten standen während und nach dem Vortrag Rede und Antwort. Wir haben die Fragen der Eltern und Lehrkräfte und die Antworten unserer Experten festgehalten.

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    Warum spielen Jugendliche so viel? Was macht die Faszination von digitalen Spielen aus?
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    Ist Fortnite überhaupt noch ein Spiel?
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    Was kostet Fortnite?
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    Wie sieht der Tagesablauf eines jugendlichen Fortnite-Spielers aus?
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    Ist Fortnite ein „Killerspiel“?
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    Ab welchem Alter können Eltern Fortnite erlauben?
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    Wie viel Stunden darf mein Sohn oder meine Tochter Fortnite spielen?
  8. 8
    Macht Fortnite abhängig?

Warum spielen Jugendliche so viel? Was macht die Faszination von digitalen Spielen aus?

Dafür hat Dejan Simonovíc eine einfache Antwort parat: „Selbstwirksamkeit erleben!“ In der Schul- und Alltagswelt bekommen Jugendliche wenig direktes Feedback und Aufmerksamkeit für eine erbrachte Leistung. Während man in der Schule wochenlang lernt, um nach einer Klassenarbeit Tage später eine Note zu bekommen, strotzen digitale Spielen nur so vor Feedback und digitalem Lohn: Kills, Wins, V-Bucks, Items, etc. Die Spielerinnen und Spieler wissen, dass je länger sie spielen, umso höher der Gegenwert ist. „Das ist unglaublich motivierend“ erklärt Simonovic.

Ein weiterer Grund für die Faszination an Spielen ist das permanente Flow-Erlebnis. Damit ist ein Zustand genau zwischen Unter- und Überforderung gemeint. Gut designte Spiele wie Fortnite schaffen es, die Spielerinnen und Spieler genau auf ihrem Leistungsniveau anzusprechen, optimal auszulasten und zu besseren Leistungen zu motivieren. Ähnlich verhält es sich mit der Immersion – mit dem Eintauchen – in die Spielewelt: Je stärker das Eintauch-Erlebnis und gleichzeitige Zurücklassen der Realität, umso stärker die Sogwirkung des Spiels.

Der 13jährige Fortnite-Experte Simon hat auf die Frage, was an Fortnite faszinierend ist, eine simple Antwort: „Ich spiele das Spiel nur, weil es Spaß macht mit Freunden abzuhängen.“ Fortnite verfügt über eine starke soziale Komponente. In der Fortnite-Lobby – einem Bereich in dem das Spiel beginnt – können Mitspieler ihre Teams zusammenstellen. Der Clou dabei: Die Spieler können per Voicechat dabei miteinander sprechen, während die Figuren synchron ihre Lippen dazu bewegen. Auch während des Spielverlaufs kommunizieren die Spieler per Voicechat miteinander. Dabei werden nicht nur Strategien zum Spielverlauf besprochen sondern auch witzige oder diskriminierende Kommentare gemacht.

Rund um das Spiel hat sich ein riesiges soziales und mediales Ökosystem entwickelt. Kinder und Jugendliche verfolgen die Ereignisse in Fortnite regelmäßig auf Video- und Streaming-Plattformen wie YouTube und Twitch. Ein Beispiel für die mediale Vernetzung war das Ingame-Konzert von Marshmellow, einem international bekannten DJ. Am 2. Februar 2019 verfolgten über 10 Millionen Spieler eine Performance des US-Künstlers auf einer digitalen Freilichtbühne in Fortnite. Dieser Aspekt leitet hervorragend auf die nächste Frage ein:

Ist Fortnite überhaupt noch ein Spiel?

„Nein“, verrät Medienpädagoge Fabian Karg. „Bei Fortnite handelt es sich längst um ein riesiges Soziales Netzwerk“. Erklärungen für die Faszination des Sozialen Netzwerks „Fortnite“, findet man im Hook-Modell. Mit dem Hook-Modell ist ein Kreislauf aus Trigger, Aktion, Belohnung und Investition gemeint. Der Belohnungsmechanismus im Spiel wird von Psychologen als „Instant Gratification“ bezeichnet. Diese wird im Gabler-Wirtschaftslexikon als „die sofortige Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen, häufig durch den Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung, die der Bedürfnisbefriedigung dient” definiert. Wer diese beiden Mechanismen versteht, „muss Jugendliche nicht länger fragen, warum sie so lange Fortnite spielen“, sagt Fabian Karg.

Was kostet Fortnite?

Fortnite ist eine „Free2Play-Game“. Die Installation ist somit kostenlos. Im Spiel selber kann man aber sehr viel Geld ausgeben. Für ca. 40 oder 60 Euro kann man sogenannte „Gründerpakete“ und „Battle Pässe“ kaufen, die den vollen Zugang zum Spiel erlauben und – je nach Wert – noch zusätzlich Extras wie Baupläne, Stauraum und Helden enthalten. Darüber hinaus kann man „V-Bucks“ erstehen – eine Spielewährung, mit der man Outfits, Gleiter, Battle-Pässe oder andere kosmetische Gegenstände kaufen kann. Ein Outfit kostet bis zu 2000 V-Bucks, was umgerechnet etwa 20 Euro entspricht.

Natürlich kommt die Frage auf, warum Heranwachsende so viel Geld in virtuelle Güter investieren. Fabian Karg erklärt, dass insbesondere jugendliche Spieler sich gerne von der Masse abheben wollen und deshalb im Spiel als einzigartiger, individueller Charakter wahrgenommen werden möchten. Aus genau dem gleichen Grund „laufen Jugendliche lieber mit einem Marken-T-Shirt herum, als mit einem No-name-Shirt“ erläutert Fabian Karg. Genauso verhält es sich mit der virtuellen Bekleidung im Spiel. Je seltener - und auch teurer – ein Outfit eines Spielers ist, umso höher seine Reputation im Spiel. Mitspieler würden mit Spielern mit ungewöhnlichen Outfits anders umgehen, als mit Spielern, die sich mit Standard-Outfits im Spiel bewegen. Das Spieleerlebnis verbessert sich, umso mehr ein Spieler in seine Spielfigur investiert. Unter diesem psychologischen Druck sind gerade junge Spieler bereit, mehr Geld auszugeben. Online-Artikel berichten von Eltern, die monatliche Rechnungen im drei- oder vierstelligen Bereich erhalten haben. Fortnite- Entwickler Epic Games hat im Jahr 2018 mit Fortnite 3 Milliarden Dollar umgesetzt. Und das, obwohl das Spiel selber keinen Cent kostet.

Fortnite-Experte Simon berichtet, dass er mittlerweile über 45 der genannten Outfits in Fortnite besitzt. Das entspricht einer Investition von ca. 750 Euro. Die Besucherinnen und Besucher wollen von ihm wissen, wie er sich das finanzieren konnte. „Ich habe dafür mein Taschengeld angespart.“ Davon bekommt er momentan 10 Euro pro Woche, was in der Regel für das Essen in der Nachmittagsschule gedacht ist. Davon würde er aber das meiste für „Essen und coole Klamotten“ ausgeben. Man darf sich wundern, wie oft Simon das Essensgeld beiseitegelegt hat, um sich die Outfits in Fortnite zu leisten.

Wie sieht der Tagesablauf eines jugendlichen Fortnite-Spielers aus?

Hier konnte der 13-jährige Simon aus dem Nähkästchen plaudern: Bereits morgens in der Schule verabredet er sich mit Mitschülern dazu, sich am Nachmittag in Fortnite zu treffen, z.B um 14 Uhr. Dann verbringt er mit Freunden rund zwei Stunden im Spiel. Dabei spielt er aber effektiv nur eine Stunde. Den Rest der Zeit chattet er mit seinen Freunden. Eine anwesende Mutter kann nicht glauben, dass er wirklich nur zwei Stunden am Tag spielt und will wissen ob er die Wahrheit sagt. Simon beteuert, dass er gar nicht länger spielen kann, da sein Vater im Spiel eine Zeitsperre eingerichtet hat.

Aber auch zu ungewöhnlicheren Zeiten kommen Jugendliche mit dem Spiel in Berührung: Eine Teilnehmerin meldet sich zu Wort und berichtet, dass ihr Sohn bereits morgens nach dem Aufstehen in Fortnite nachschauen möchte, welche neuen Outfits erhältlich sind. 

Ist Fortnite ein „Killerspiel“?

Ein zentrales Element von Fortnite ist, andere Spieler mit Waffengewalt außer Gefecht zu setzen. „Battle Royal“ nennt sich der Spielemodus von Fortnite, bei dem 100 Spieler gegeneinander kämpfen – solange bis nur noch einer übrigbleibt. In den Medien wird daher kontrovers diskutiert, ob Fortnite gewaltverherrlichend ist.

Auf die Frage, ob Spiele gewaltbereiter machen, gibt es auch nach Ansicht von Fabian Karg keine klare wissenschaftliche Antwort. Er verweist in diesem Zusammenhang auf „die in Spielen vorgelebten Verhaltensweisen“ wie z. B. beim Actionspiel GTA5, bei dem Spieler u. a. Polizisten erschießen oder Passanten überfahren können. Fabian Karg vermutet, „dass solche Spiele nicht per se aggressiv machen, aber dass bestimmte Verhaltensformen wie Beamtenbeleidung oder Probleme mit Gewalt zu lösen, von Jugendlichen als akzeptabel empfunden werden könnten“. Das Übernehmen von im Spiel vorgelebten Verhaltensweisen, hängt stark von der Reife eines Jugendlichen ab. Was zur nächsten Dauerbrenner-Frage führt:

Ab welchem Alter können Eltern Fortnite erlauben?

„Es gibt 11-Jährige, die von der Reife her bereits ein Spiel spielen können, dass ab 12 Jahren freigegeben ist. Es gibt aber auch 13-Jährige, die damit noch nicht umgehen können“ glaubt Fabian Karg. Eltern sollten sich dennoch als Orientierungshilfe mit den Alterseinstufungen der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) sowie des Spieleratgebers NRW beschäftigen. Anfang August 2019 hat die USK das Onlinespiel Fortnite ab 12 Jahren freigegeben – einschließlich der aktuellen Spielmodi „Save the World“, „Battle Royale“ und „Creative“. Die Einstufung der USK ist aber nicht mit einer pädagogischen Empfehlungen zu verwechseln. Pädagogische Gesichtspunkte wie die Kosten des Spiels, dessen Bindungsfaktoren, Datenschutz und Interaktion zwischen den Spielenden werden bei USK-Einstufungen nicht berücksicht. Die Redaktion des Spieleratgebers NRW gibt dem „Fortnite: Battle Royale“-Modus eine pädagogische Empfehlung „ab 14 Jahre“. Grund für seine Empfehlung: Fortnite-Spielerinnen und Spieler müssen „eine hohe Frustrationstoleranz mitbringen und für empfindliche Jugendliche könnte das nervenaufreibende Gameplay überfordernd sein“.

Wie viel Stunden darf mein Sohn oder meine Tochter Fortnite spielen?

Eine Teilnehmerin möchte wissen, wieviel Stunden ihr dreizehnjähriger Sohn pro Tag spielen sollte. Momentan erlaubt sie „ihrem Sohn unter der Woche vier Stunden“, was sie „extrem großzügig findet“. Fabian Karg fragt, ob sie vier Stunden pro Tag oder pro Woche meint. „Pro Tag“ klärt die Mutter auf, was ein Raunen im Raum auslöst. Ihr Sohn „hält das für sehr wenig und das Thema ist bei uns ein Dauerbrenner.“ berichtet sie. Freunde des Sohnes dürften viel länger spielen, was zu Diskussionen führt, erzählt sie und betont, dass ihr Sohn Fortnite mit seinen Klassenkameraden spielt und nicht mit fremden Menschen.

Dejan Simonovíc erklärt, dass die Spielezeit vom Entwicklungsstand des Kindes und vom Umfeld in der Familie abhängt. Die Spielezeit dürfe nicht alleine betrachtet werden, sondern muss im Zusammenhang mit anderen Medienaktivitäten, wie Fernsehen oder Smartphone-Nutzung betrachtet werden. Als Faustregel empfehlen die Referenten vom Landesmedienzentrum „pro Lebensjahr 10 Minuten Bildschirmzeit pro Tag“. Bei der Einhaltung der Regeln sollten Eltern aber konsequent bleiben und die Einhaltung der Regeln auch einfordern. Ideal dafür ist der Mediennutzungsvertrag, mit dem Eltern und Kinder vereinbaren, welche Zeiten für das Spielen gelten.

Fabian Karg, der diese Frage schon unzählige Male beantworten musste, möchte sich nicht allein auf Zeitrichtwerte festlegen. Stattdessen gelten für ihn Grundregeln wie:

  • Gemeinsam spielen ist besser als alleine spielen. Wobei mit „gemeinsam“ vorzugsweise Menschen gemeint sind, die man aus dem echten Umfeld kennt.
  • Das Spielen sollte im Wohnzimmer stattfinden, an einem Ort an dem die Eltern Einblick haben.

Macht Fortnite abhängig?

Um diese Frage zu beantwortet, hat Dejan Simonovíc die Computerspielsucht-Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mitgebracht. Folgende Merkmale weisen laut WHO auf eine Sucht hin:

  • Kontrollverlust beim Spielen (Häufigkeit, Dauer, Intensität, usw.)
  • Spielen hat Vorrang über andere Lebensinteressen und Aktivitäten (Schule, Beruf, Familie, usw.)
  • Fortgesetztes Spielen trotz negativer Folgen

Dejan Simonovíc weist darauf hin, dass man erst von einer Sucht ausgehen sollte, wenn über einen längeren Zeitraum, z.B. 12 Monate, diese Merkmale beobachtet werden. Und: Die Einschätzung, ob solche Merkmale vorliegen, sollte Eltern besser einem Psychologen überlassen. „Solange andere Lebensbereiche wie Familie, Freunde oder Schule funktional sind, spricht man eher nicht von Sucht, sondern eher von exzessivem Spiel“, merkt Simonovíc an.

Ausklang: Fortnite zum Reinschnuppern

Manche Eltern wollen wissen, wie der Spielverlauf von Fortnite ist, was passiert, wenn man im Spielverlauf stirbt und was es mit dem Tanzen im Spiel auf sich hat. Experte Simon geht anhand des Spiels auf jede Frage ein und zeigt wie man Ausrüstung kauft oder wie man sich in Fortnite verhalten muss, um zu überleben. Nach dem Vortrag konnten die Besucherinnen und Besucher noch das Spiel anspielen und die Experten mit ihren Fragen löchern.

Die Landesregierung setzt sich mit der Initiative „Kindermedienland Baden-Württemberg“ unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Winfried Kretschmann dafür ein, die Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Land zu stärken. Mit dem „Kindermedienland Baden-Württemberg“ werden zahlreiche Projekte, Aktivitäten und Akteure im Land gebündelt, vernetzt und durch feste Unterstützungsangebote ergänzt. So wird eine breite öffentliche Aufmerksamkeit für die Themen Medienbildung und -erziehung geschaffen. Träger und Medienpartner der Initiative sind die Landesanstalt für Kommunikation (LFK), der Südwestrundfunk (SWR), das Landesmedienzentrum (LMZ), die MFG Baden-Württemberg, die Aktion Jugendschutz (ajs) und der Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV). 

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