Pressemitteilung

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Pressemitteilung

Stuttgarter Medienkongress beschäftigt sich mit der Zukunft der Kommunikation

„TRÄUME – SCHÄUME – ZUKUNFTSRÄUME“, so der Titel des siebten Stuttgarter Medienkongresses, der auch in diesem Jahr wieder mit rund 200 Kongressbesuchern für ein volles GENO-Haus sorgte. Veranstalter sind die Landesanstalt für Kommunikation Baden- Württemberg (LFK) und die Hochschule der Medien Stuttgart (HdM).
25.11.2016

Zentrales Thema des Branchentreffs war, in welchen digitalen und realen Räumen sich die Menschen heute aufhalten, wie diese Räume von den Medien bespielt und Zielgruppen erreicht werden können. Der Kongress lieferte ein Update zu den Veränderungen der Mediennutzung in der jungen Zielgruppe und führte vor Augen, wie neue Dienste, Programme und Angebote darauf reagieren.

Impressionen vom Stuttgarter Medienkongress 2016

Medien müssen neue Resonanzräume füllen können

Dass sich die Medienwelt verändert hat, zeigt ein Film von „stufe – das Studentenfernsehen der HdM“. Die Fernsehstars von früher sind heute abgelöst durch die sogenannten Influencer auf YouTube mit Millionen meist jugendlichen Abonnenten. Auf diese Entwicklung müssen Medien, Organisationen und Unternehmen gleichermaßen reagieren, um ihre Zielgruppen noch zu erreichen.

So hat der Regionalsender RNF etwa seit kurzem eine Live-App, mit der mobil und in Echtzeit berichtet wird. „In diese Richtung wird sich auch das lokale Fernsehen weiterentwickeln“, ist sich Programmmacher Ralph Kühnl sicher. Eine große Herausforderung gerade für kleinere, lokale und regionale Anbieter angesichts vergleichsweise geringer Werbeeinnahmen. LFK-Präsident Thomas Langheinrich fordert darum neue Förderinstrumente, um regionale Vielfalt auch in Zukunft erhalten zu können.

Kinder und Jugendliche lieben WhatsApp

Medien und Kommunikation spielen für Kinder und Jugendliche eine ganz entscheidende Rolle. Das zeigen auch erste Ergebnisse der JIM-Studie 2016. Theresa Plankenhorn (LFK) und Sabine Feierabend (SWR) sehen trotz größerem Medienangebot keine dramatische Veränderung im Nutzungsverhalten. Nach wie vor werden noch häufig Bücher gelesen, Radio gehört und auch der Fernsehkonsum ist in der jugendlichen Zielgruppe mit 79 Prozent immer noch hoch – wenn auch mit leicht abnehmender Tendenz. Ganz klar „out“ allerdings ist Facebook. WhatsApp und Instagram sind die sozialen Netzwerke, in denen sich jetzt die Kinder und Jugendlichen vor allem tummeln.

Privatheit als Luxus

Der Wunsch nach Resonanz ist in der Entwicklung des Menschen schon immer ein wichtiger Aspekt. In der modernen Medienwelt findet der Psychoanalytiker Martin Altmeyer im „Selfie“ und YouTube-Video etwa diesen „Ruf nach Aufmerksamkeit“. Spuren im Netz hinterlassen – das wird in Zukunft immer wichtiger werden. Auf die Spitze treibt Social Media-Expertin Marthe-Victoria Lorenz (fairplaid) das, indem sie sagt „wer in Zukunft keinen Content produziert, wird nicht existieren.“ Immer stärker wird in dieser Medienwelt Privates nach außen getragen oder „inszeniert“, so Prof. Dieter Gorny. Darum sieht er in Zukunft Privatheit als bewussten Luxus an.

„Ich werde heute bewusst niemandem mitteilen, wo ich bin und was ich mache“.

Digitale Zukunft muss gestaltet werden. Und das von der Jugend und nicht von einer „intellektuellen Elite, die mehr Angst davor hat als Ahnung“, fordert Buchautor Wolfgang Gründinger und weist darauf hin, dass im Zukunftsrat der Bundesregierung nur Menschen im Alter von über 50 Jahren sitzen.

Auf das Erlebnis kommt es an

Etwas teilen – in der analogen wie digitalen Welt spielen Erlebnisräume eine wichtige Rolle. So zeigt das Beispiel des Musikfestivals Parookaville, dass diese Gemeinschaftsidee Tausende begeistern kann. Die Idee einer richtigen Festivalstadt auf der grünen Wiese für ein Wochenende – mit eigener Festival-Währung, Tattoo-Studio, Einkaufscenter oder Kirche zum Heiraten – punktet bei den Fans. Dafür sprechen 80.000 verkauftet Tickets für 2017 innerhalb von 48 Stunden. Reales Erleben und digitale Communities oder Virtual Reality – beides Teil einer Welt. Und beliebig kombinierbar.

Klinkenputzen bei den Influencern

Diese Resonanzräume zu füllen ist harte Arbeit und kein Selbstläufer. Diese Erfahrung hat auch Alina Schröder gemacht. Die YouTuberin von DASDING – Jungendangebot des SWR hat mit ihrem Kanal „Alina – die Liebe & der Sex“ großen Erfolg, muss aber immer noch um Aufmerksamkeit kämpfen: „60 Prozent meiner Arbeit ist das Anteasern meiner Videos auf den unterschiedlichen Kanälen“. Und immer wieder putzt sie auch Klinken bei Fanclubs oder Influencern, damit sie ihre Videos teilen und damit verbreiten. Gerade ohne YouTube als Plattform und Videokanal geht heute nichts mehr, wie der aktuelle Web-TV-Monitor 2016 bescheinigt. Viele Online-Video-Produzenten wechseln mit ihrem Content zu YouTube. Das stärkste Entwicklungspotential hat in der Einschätzung der Videomacher Snapchat, so Prof. Dr. Klaus Goldhammer (Goldmedia) und Bertram Gugel (Gugel Productions), die die Studie im Auftrag von BLM und LFK erstellt haben.

Radio als Begleiter mit Mehrwert

Auch das Radio verändert sich durch seine zunehmend mobile Nutzung. Und da der Kopfhörer alltäglich geworden ist, muss sich auch das Radio in seinem „Frequenzraum“ auf dieses neue Klangerleben einstellen, ist sich Ralf Homann sicher. Für den Radioexperten übernehmen Moderatoren die wichtige Rolle persönlicher Begleiter. „Sie müssen nicht immer glücklich sein, aber Haltung zeigen und glaubwürdig sein“. Das bedeutet auch: „Weniger Algorithmus, mehr Formate, die aus der Rolle fallen und für Aufmerksamkeit sorgen“. Das kann Prof. Dr. Oliver Zöllner bestätigen. In einem gemeinsamen Projekt von Studierenden der Hochschule der Medien Stuttgart mit Hörfunkveranstaltern wurde ermittelt, wie das Radio der Zukunft aussehen soll. So wünschen sich die Digital Natives mehr Inhalte, mehr Haltung, mehr Musik abseits der Charts und mehr Überraschung im Radio. Also eine stärkere, journalistische Aufbereitung der Inhalte und der Musik, damit Radiohören einen spezifischen Mehrwert über Musik und Entertainment hinaus bekommt.

Social Media-Denken

Natürlich sind auch die Social Media-Kanäle fester Bestandteil des 360 Grad-Content-Managements der Radiomacher. Geschichten werden crossmedial gedacht und geplant. „Gerade für das Team eine neue Herausforderung, immer wieder alle Verbreitungskanäle der Content Kreation mitzudenken“, so Martin Haferkorn, Programmchef von Radio Regenbogen. Mit neuen Tools wird dieses vernetzte Denken im Redaktionsalltag gefördert. Und auch die Hörer als Story-Lieferanten werden immer stärker eingebunden. Radiosender müssen noch stärker zur Marke werden, um über die verschiedenen Verbreitungswege auffindbar zu bleiben, ist sich Alexa Kuszák sicher. Die neue welle-Geschäftsführerin sieht gerade in der Mobilität die Chance für neue Marketingstrategien.

Neue Kanäle – neue Möglichkeiten fürs Storytelling – wenn man die Regeln kennt

Was für das Radio gilt, beginnt auch in der Unternehmens- und Markenkommunikation immer wichtiger zu werden. Digitale Resonanzräume optimal zu bespielen und mit Inhalten zu füllen, ist mittlerweile auch die Herausforderung für alle Organisationen, Marken und Unternehmen oder auch Hochschulen. So arbeitet die Universität Tübingen erfolgreich mit neuen Tools wie „Pageflow“, um Geschichten spannend für die neuen Endgeräte aufzubereiten. Gerade die Social-Media Kanäle bieten großartige Möglichkeiten, zielgerichtet zu informieren, so Director Digital Branding Christof Kessemeier von Unitymedia. Intelligente und agile interne Prozesse, mit deren Hilfe alle Mitarbeiter Content-Ideen einbringen können, sorgen für ganz neue Chancen beim Storytelling.

Collaborativ arbeiten, auch das ist eine neue Facette der Digitalität.

In einer Studie hat Community-Experte Steffen Geldner von der Popakademie Baden-Württemberg ermittelt, dass viele Bands immer noch viel zu wenig über die sozialen Netzwerke wissen. Nach welchen Regeln funktionieren diese Resonanzräume? Er kennt die Kniffe und Tricks und ist von 0 auf 20.000 Follower bei Instagram durchgestartet. „Ja, es gibt einiges zu beachten“, weiß auch Benjamin Minack (Agentur ressourcenmangel). Er berät Unternehmen bei Social

Media-Kampagnen. Gerade in schnellen, digitalen Zeiten ist es wichtig, sich intensiv über seine Zielgruppen, Kanäle und Botschaften Gedanken zu machen. Dabei plädiert er dafür, sich bei der Marken-Kommunikation auf das Wichtige zu konzentrieren und nicht alle neuen Kanäle auf einmal bespielen zu wollen.

Relevanz um jeden Preis?

Medien müssen Service bieten, gerade im lokalen Raum, so die Erfahrung von Manuel Conrad, Geschäftsführer von Merkurist.de. „Es sind die Märkte und Baustellen, weniger die rein politischen Themen, die nachgefragt werden. Die Nutzer sind bereit, eigene Themen einzubringen, die wir dann aufbereiten.“ Redakteure werden zunehmend nach Klickraten und Verweildauer ihrer Artikel bezahlt, um Anreize zu schaffen, spannenden Content für die Zielgruppen zu erstellen.

Wo sind die Grenzen des Messens von Relevanz, vom Echtzeit-Tracken von Informationen, vom aktiven Nutzen von den speziellen Algorithmen der sozialen Netzwerke, vom Reagieren auf Klickraten? Für Dr. Juliane A. Lischka von der University of Zurich besteht hier durchaus die Gefahr, dass sich Journalisten immer mehr den Themen zuwenden, die die meiste Aufmerksamkeit genießen. Besteht überhaupt noch eine Chance für Sperriges? Für Tobias Köhler, Innovationschef der Südwestdeutschen Medienholding, hat Journalismus auch die Aufgabe einer vierten Gewalt im Staat. Insofern ist ein rein betriebswirtschaftlich orientiertes Redaktionsmodell zu hinterfragen. „Als Journalist muss man auch schreiben, was vielleicht nicht gefällt.“