Pressemitteilung

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Pressemitteilung

Rückblick: Miteinander der Kulturen beim Fachtag Geschichte

Unterricht im modernen, „multikulturellen Klassenzimmer“ hat die Aufgabe und Chance, eine Kultur des kritischen, aber friedvollen Dialogs zu vertreten. Impulse hierzu gab der Fachtag Geschichte am 12. Mai 2016 im Stadtmedienzentrum Stuttgart.
20.05.2016

Heute bringen Schülerinnen und Schüler bereits verschiedene Kulturen mit. Die in den neuen Bildungsplänen verankerte Leitperspektive zu TOLERANZ und VIELFALT ist fächerübergreifend von zentraler Bedeutung. Sowohl im Unterricht als auch im sozialen Miteinander." Nach diesen Worten von Richard Padberg, Referent am Stadtmedienzentrum Stuttgart, erläuterte Ulrich von Sanden, Fachleiter Geschichte bei der Lehrerfortbildung des Regierungspräsidiums Stuttgart, das Motto des diesjährigen Fachtages: „Weg vom ‚Kampf der Kulturen’ hin zu Konzepten wie Reflektion, Dialog, Austausch und Vernetzung”. Wichtig sei es, mit Hintergrundinformationen zur Versachlichung beizutragen. Denn Verständnis füreinander setzt gegenseitiges Verstehen voraus!

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Es folgte der Vortrag von Dr. Stephan Schlensog, Generalsekretär der Tübinger Stiftung Weltethos, zum Thema „Miteinander der Religionen als Herausforderung in Geschichte und Gegenwart“: Ziel der international agierenden Stiftung Weltethos ist die Vermittlung von Werten und interkultureller Kompetenz in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft. „Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen – und kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen“. Diese Einsichten von Prof. Dr. Hans Küng standen 1990 am Anfang des Weltethos-Projekts. Damit ein gutes und konstruktives Zusammenleben möglich ist, benötigen alle menschlichen Gemeinschaften eine Basis an Grundwerten, die sie teilen. Das gelte für die Familie, die Schule oder Wirtschaftsunternehmen genauso wie für die Gesellschaft. „Heute, in Zeiten des Internets, einer global agierenden Politik und Wirtschaft und zunehmend multikultureller Gesellschaften, bedarf es mehr den je eines Grundkonsenses über Werte und Normen, unabhängig von Kultur, Religion oder Nationalität", sagt Schlensog und fährt fort: „Alle Religionen und Weltansichten haben grundlegende Werte- und Moralvorstellungen gemeinsam. Die Goldene Regel, nach der man sich seinen Mitmenschen gegenüber so verhalten soll, wie man selbst behandelt werden möchte, findet sich in allen Traditionen wieder. Ebenso die Forderung, dass alle Menschen menschlich behandelt werden müssen, sowie Werte wie Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Partnerschaft von Mann und Frau usw." Schulen, die sich wie z.B. das Zeppelin-Gymnasium Stuttgart diesen Werten verpflichten, können die Auszeichnung „Weltethos-Schule" erwerben. Auf der Basis von Unterrichtswettbewerben, bei denen Pädagoginnen und Pädagogen Vorschläge und Konzepte zu den Themen Weltethos und Wertevermittlung im Unterricht einreichen konnten, ist ein Fundus an Unterrichtsmaterialien entstanden. Dazu bietet die Stiftung Fortbildungen für Lehrkräfte und Vorträge an Schulen an. Für interaktives Lernen am Computer wurde die kostenlos zugängliche digitale Lernplattform „A Global Ethic now!“ entwickelt. Zudem stehen Lehrmedien für den Einsatz im Unterricht bereit.

Infos: http://www.weltethos.org/angebote für Lehrkräfte

Mehr: http://www.weltethos.org/material zum download/

Die gemeinsamen Werte jenseits der kulturellen, religiösen und nationalen Grenzen unterstrich auch Aiman A. Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland e.V., in seinem Vortrag „Kulturelle Vielfalt in immer heterogeneren Gesellschaften“: Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) wurde 1987 gegründet. Er bildet die ganze Vielfalt der Muslime in Deutschland ab. Seine hier beheimateten Mitglieder partizipieren zunehmends: Zum Beispiel ist der Tag der offenen Moschee in Deutschland ein seit 1997 fester Veranstaltungstag, der bewusst am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit stattfindet, um das Selbstverständnis der Muslime, Teil des 1990 wiedervereinigten deutschen Staates zu sein, und die Verbundenheit mit allen Bürgern Deutschlands zum Ausdruck zu bringen. Der ZDM wirkt bei der Erstellung von Lehrplänen für den islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen mit. Seit Jahrzehnten ist der ZDM im christlichen und jüdischen Dialog aktiv. Der ZMD ist Kooperationspartner vieler staatlicher Stellen, Ministerien und zivilgesellschaftlicher Organisationen und Initiativen: Beteiligung an der Deutschen Islamkonferenz, am Integrationsgipfel der Bundeskanzlerin, an Gremien des Bundesamtes für Integration und Flüchtlinge, am Bündnis für Demokratie und Toleranz (BfDT), am Forum gegen Rassismus des Bundesinnenministeriums etc.

Am Nachmittag gab es drei Veranstaltungen parallel:

FORUM GESCHICHTSDIDAKTIK mit Prof.Dr. Bärbel Völkel, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg: Mit hrem Vortrag „Wie lange muss jemand hier leben? – Menschen ‚mit‘ und ‚ohne‘ Geschichte in Einwanderungsgesellschaften regte Frau Professor Völkel interessante Gespräche an. Präsentiert wurden zwei Unterrichtsbeispiele für einen Geschichtsunterricht in einer multiethnischen Gesellschaft:

  1. „Darf einer sich gegen eine Tradition von 1000 Jahren stellen?“ – Martin Luther im multiethnischen Geschichtsunterricht
  2. „Stolpern ist nicht schlimm“ (Unterrichtsmaterialien zur Holocaust-Education) 

Mit einer globalgeschichtlichen Perspektivierung lässt sich das bisher schwer zugängliche Europa-Thema in eine schülergemäße Fragestellung einbetten, da es Fragen nach der historischen Leistung Europas mit Fragen nach seiner historischen Verantwortung verbindet. Auf der Grundlage eines historischen Spielfilms („Königreich der Himmel") und einer historischen Dokumentation wurde je ein Unterrichtsmodell zu den Themen „Kreuzzüge – Möglichkeiten und Grenzen friedlicher Koexistenz" und „Osmanisches Reich – den Feind beschreiben" erarbeitet. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten eine Einführung in die Unterrichtsmodelle und erarbeiteten danach in zwei Workshopgruppen das jeweilige Unterrichtsmodell vor dem Hintergrund der Jahresplanung. Beide Module erhielten die Materialien zu beiden Themen. FILMBESPRECHUNG „Paradise now“, Palästina, Niederlande 2004, 90 Min., FSK 12, Regie: Hany Abu-Assad. Filmreferent: Hanns-Georg Helwerth, SMZ Stuttgart:

Khaled und Said sind Freunde. Sie leben mit ihren Familien im Westjordanland. Jede Familie hat die Gewalt der Israelis und auch der Palästinenserorganisationen schon schmerzhaft erlebt. Eine wirkliche Perspektive für ihr Leben haben die beiden Freunde nicht. Als sie ausgewählt werden, in Tel Aviv Selbstmordattentate durchzuführen, sind sie sofort bereit, zumal ihnen das Paradies und die ehrenhafte Unterstützung ihrer Familien versprochen wird. In der Palästinenserorganisation werden sie auf ihre Aufgabe vorbereitet. Die letzte Nacht verbringen sie aber bei ihren Familien, ohne irgendetwas sagen zu dürfen. Aber der erste Versuch scheitert. Die beiden Jungen werden getrennt und müssen sich alleine nach Hause durchschlagen. Bei Khalid wachsen die Zweifel am Sinn der Aktion. Said will mit der Tat unbedingt die Ehre seiner Familie wiederherstellen. Beim zweiten Versuch kommt es folgerichtig zur Trennung. Abu-Assads Film gelingt es, die Beweggründe der jungen Attentäter deutlich zu machen. Differenziert und ohne zu moralisieren zeigt der Regisseur, dass die Perspektivlosigkeit der jungen Männer im Märtyrertum eine reale Alternative zu haben scheint. Abu-Assad ist Palästinenser und behandelt das Thema auch aus palästinensischer Sicht. Die Opferperspektive kommt nicht vor. Aber auch die Kritik an den Palästinenserorganisationen, die die Verhältnisse für ihre politischen Ziele instrumentalisieren, regt zur Nachdenklichkeit an.