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Vom Museum bis zum digitalen Raum: Wie kann Medienbildung inklusiver werden?
Stand: Juli 2025 | Lesezeit: 8 min.
Medienbildung ist Demokratiebildung. Flächendeckend funktioniert das aber nur, wenn Medienprojekte – egal ob digital oder analog – inklusiver und stetig barrierefreier werden. Im Land tut sich in dieser Hinsicht einiges.
- 1Medienbildung und Inklusion
- 2Wie Medienprojekte inklusiver werden
- 3Expertinnen und Experten gesucht
- 4Gelebte Inklusion: Die Heidelberger Glückskekse
Medienbildung und Inklusion
Es führt kein Weg dran vorbei: Eine starke, geeinte Gesellschaft fußt auf flächendeckender Medienbildung. Und während Medienbildung in naher Zukunft sogar als Schulfach im Lehrplan verankert sein wird, gibt es insbesondere in Sachen Inklusion weiterhin Barrieren – im digitalen Raum, aber auch in Museen und Bildungseinrichtungen. Im Land arbeitet man unter Hochdruck daran, diese Barrieren zu reduzieren. Das ist nötig, denn Medienbildung geht uns alle an. Und ist unerlässlich für eine Gesellschaft, die resistent ist gegen Populismus, Extremismus und Fake News.
Das oft zitierte Schlagwort lautet hier „Barrierefreiheit“. Und auch wenn diese Barrierefreiheit eher ein Ideal ist, das man zwar anstreben, aber niemals für alle und jeden erreichen kann, geht es doch vor allem darum, die Medienangebote barrierefreier zu gestalten, um mehr Menschen Partizipation zu ermöglichen. Diese angestrebte Barrierefreiheit kann vieles meinen: Eine Webseite etwa, die übersichtlich zu bedienen ist, in einfacher Sprache verfasst wurde und im Idealfall auch für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen nutzbar ist. Das ist wichtig, denn: Für Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen sind Medienbildungsangebote von besonderer Bedeutung und helfen am Ende allen. Einer Studie der Aktion Mensch zufolge nutzen Menschen mit Behinderung das Internet in Deutschland häufiger als der Durchschnitt. Für sie ist besonders die digitale Welt ein Tor zu Partizipation und sozialem Kontakt.
Inklusive Medienbildung ist aber nicht nur im Netz von zentraler Bedeutung; auch Kultureinrichtungen, wie beispielsweise Museen setzen neben einem barrierearmen Zugang in ihrem Angebot mehr und mehr auf Inklusion wie etwa durch Einsatz von Audio oder Brailleschrift an Exponaten. Wie immer gilt aber: Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Wichtig ist nur, dass wir begonnen haben, ihn zu gehen.
Wie Medienprojekte inklusiver werden
Digitale und analoge Medienarbeit ist auch ein großes Thema bei der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG). Das Team Digitale Kultur der MFG begleitet seit 2015 Museen und weitere Kultureinrichtungen im digitalen Wandel – zehn Jahre, in denen sich einiges bewegt hat. „Die Grundfragen sind: Wie können Museen attraktiver für ihr Publikum werden und wie können Museen mit dem Publikum in Interaktion treten“, fasst Projektleiter Maximilian Westphal zusammen. „Wir wollen motivieren, dass Museen Projekte kollaborativ mit dem Publikum entwickeln – dementsprechend denken wir von Anfang an inklusiv.“ Förderprogramme wie „offen für… Digitale Barrierefreiheit in Museen“ stellen dabei gezielt Inklusion in den Vordergrund. Denn: „Wenn ich Inklusion gleich am Anfang mitdenke, wird sie automatisch Teil des gesamten Prozesses und muss nicht nachträglich implementiert werden.“
Zentral sei hier eine Sensibilisierung für die Bedarfe, so Westphal. „Ein sehender Mensch denkt nicht selbstverständlich daran, dass ein Touchdisplay in einem Museum für einen Menschen mit Sehbehinderung eine Barriere sein kann – ebenso wie eine Audio-Datei für einen gehörlosen Menschen.“ Der Anspruch muss also sein, dass es stets mehrere Zugangswege im analogen und digitalen Raum gibt – und das ist ebenso aufwändig wie kostspielig. Inklusivere Medienarbeit durch den Einsatz vieler verschiedener Medien findet man etwa im Stadtpalais Stuttgart, in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen oder im Bauernhaus Museum Wolfegg . Das können verschiedenen Tonspuren bei Videos oder Reliefschrift sein – oder aber eine App, die die Museumsräume anschaulich beschreibt“, so Westphal. Diese Beispiele sollten natürlich eher die Regel sein als die Ausnahme, denn: Inklusive Medienbildung ist in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen verankert.
Expertinnen und Experten gesucht
Eine Sensibilisierung wird aber am besten eben nicht über die Köpfe von Menschen mit Behinderung hinweg entschieden, sondern gemeinsam mit ihnen entwickelt. „Öffentliche Einrichtungen müssen per Gesetz barrierefrei sein, was natürlich für Museen gewisse Vorgaben bedeutet. Die sind mitunter gar nicht leicht zu erfüllen, weil echte Barrierefreiheit kaum zu erreichen ist“, ergänzt seine Kollegin Sophia Kirner. „Inklusion ist ein Prozess, der so schnell nicht abgeschlossen sein wird. Wir dürfen uns nicht anmaßen, selbst über die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen zu entscheiden. Und sie stattdessen fragen, was sie wirklich brauchen und in diese Arbeit miteinbeziehen.“
Grundsätzlich gilt hier: Je mehr verschiedene Blickwinkel, je mehr Stimmen und Bedarfe, desto höher der Grad der Inklusion. „Lieber gehen wir tiny steps und machen gezielte wirklich durchdachte Projekte als zu versuchen, mit dem zur Verfügung stehenden Geld eine allgemeine Barrierefreiheit zu erreichen“, so Kirner. Auch die Künstliche Intelligenz kann da helfen, wird aber auch nur durch die Mitarbeit von Menschen zu einem nützlichen Tool. „KI kann beim Erstellen von Untertiteln eine große Hilfe sein, aber am Ende muss auch da ein Mensch kontrollieren, ob die Texte leicht verständlich sind“, betont Maximilian Westphal. „Es gibt auch Anwendungen wie einen Gebärdensprach-Avatar, der über KI generiert wird. Die werden von der Gehörlosen-Community aber noch sehr kritisch gesehen, weil es den menschlichen Faktor ausklammert.“
Gelebte Inklusion: Die Heidelberger Glückskekse
Ein ganz konkretes Beispiel gelebter Inklusion findet sich in Heidelberg. Dort betreiben einige Freundinnen ein Café, in dem Menschen mit verschiedenen intellektuellen Einschränkungen arbeiten und Gäste bedienen – die Heidelberger Glückskekse. Möglich wurde das durch den Einsatz von Tablets und spezieller Apps. „Anfangs versuchten wir es mit Bestellzetteln, aber da waren die Herausforderungen zu groß“, so Gründerin Dr. Stephanie Maier-Laufs. „Uns fiel auf, dass viele andere Cafes Tablets für ihre Bestellungen verwendeten, also wollten wir das auch mal mit unseren Glückskekse ausprobieren.“ Dafür wurden sie auch beim Förderwettbewerb idee BW ausgezeichnet.
Ganz ohne Probleme lief das aber eben auch nicht, weil weder Tablets noch Apps barrierearm konzipiert sind. „Das fängt bei Dingen wie Handling oder Schriftgröße an und ging mit schwer verständlicher Sprache oder vielen verschiedenen Ebenen innerhalb einer App weiter“, sagt ihre Kollegin Sabine Heim. Wirklich einsetzbar war das im Café-Alltag also auch nicht. Kurzerhand tat man sich mit der PH Heidelberg zusammen, deren Studierenden zahlreiche Apps testeten und überlegten, wie man Bedien-Apps inklusiver und barrierärmer gestalten könnte.
Das Resultat: Heute nehmen die Heidelberger Glückskekse selbsttätig Bestellungen mit dem Tablet auf und können so aktiv an der Gesellschaft teilnehmen – Inklusion pur. Das war auch die Grundidee dahinter. Sowohl Laufs als auch Heim haben selbst Kinder mit intellektuellen Einschränkungen, wollten aber eben nicht, dass diese später nur in einer Werkstatt arbeiten. „Wir wünschen uns, dass alle an der Gesellschaft partizipieren können. Die Kinder und Jugendlichen, die bei uns im Café arbeiten, blühen regelrecht auf, seit wir die Tablets nutzen.“ Beide würden sich wünschen, dass App-Entwicklung von Anfang an inklusiver gedacht wird, um mehr Menschen aktive Teilhabe zu ermöglichen. „Denn die Technik“, so Sabine Heim, „ist ja längst da.“
Ein bisschen ist das also wie mit einer barrierearmen urbanen Umgebung: Nur weil ich den Bordstein niedriger mache als üblich, heißt das eben nicht, dass sie für Menschen im Rollstuhl kein Hindernis ist. Projekte wie die Heidelberger Glückskekse sind in dieser Hinsicht wie ein Leuchtturm. Und finden hoffentlich viele Nachahmer. Das sieht auch die neue Landesbehindertenbeauftragte Nora Welsch so. „Alles, was das Leben ausmacht, muss für Menschen mit Behinderungen verbessert werden“, sagt sie im SWR. Und dazu gehört mehr denn je auch der digitale Raum.
Weiterführende Informationen
Weitere Links
www.die-medienanstalten.de
Barrierefreiheit im Medienstaatsvertrag
www.tjbfg.de
Inklusive Medienprojekte
www.museumsbund.de
Inklusion beim Deutschen Museumsbund