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Das neue Schulfach Informatik und Medienbildung ist da – und jetzt?
Stand: September 2025 | Lesezeit: 7 min.
Mit dem neuen Schuljahr 2025/26 ist auch ein neues Pflichtfach an den Schulen in Baden-Württemberg angekommen: Informatik und Medienbildung. Es soll die Schülerinnen und Schüler fit machen für KI, Social Media, Programmieren oder Datenschutz. Funktioniert das?
- 1Überblick
- 2Das neue Schulfach im Detail
- 3Die Situation an den Schulen
- 4Fortbildungen für Lehrkräfte
- 5Der fehlende Bildungsplan
- 6Technische Herausforderungen
Überblick
Die Schule hat wieder begonnen. Insgesamt rund 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg drücken wieder die Schulbank. Für viele ist alles wie immer, doch für alle fünften und sechsten Klassen an Haupt-, Gemeinschafts-, Real- und Werkrealschulen sowie Gymnasien bringt das neue Schuljahr auch ein neues Schulfach. Es heißt Informatik und Medienbildung und soll je nach Schulart schrittweise bis in die neunte, zehnte und, im wiedereingeführten G9, die elfte Klasse unterrichtet werden.
Damit kommt das Kultusministerium den seit Jahren geführten Debatten rund um die Medienkompetenz von Schulkindern nach. Und während wohl niemand ernstlich daran zweifeln wird, dass die Einführung eine richtige und gute Entscheidung ist, gehen die Meinungen über die jetzt beginnende Realität an den Schulen auseinander – unter anderem auch deswegen, weil bislang noch kein verbindlicher Bildungsplan steht, dem entnommen werden kann, was eigentlich genau vermittelt werden soll.
Das neue Schulfach im Detail
Sehen wir uns zunächst mal an, was das neue Pflichtfach umfassen soll. Vom Kultusministerium Baden-Württemberg kommt diese Definition: „Im neuen Fach Informatik und Medienbildung gehen der Basiskurs Medienbildung, der Aufbaukurs Informatik und der Informatik-Anteil des Profilfachs Informatik, Mathematik, Physik beziehungsweise das Wahlfach Informatik auf.“ Im Grunde ist es also mehr als ein Fach und eher eine interdisziplinäre Herangehensweise an die Herausforderungen unserer zunehmend digitalen Welt. „Der Anteil der Medienbildung“, so das Kultusministerium weiter, „wird lebensweltorientiert anhand altersadäquater Themen vermittelt und unterstützt die Schülerinnen und Schüler, mit zunehmend komplexeren Herausforderungen in der digitalen Welt zurechtzukommen.“
Einen großen Raum sollen Themen wie KI, Fake News, Echokammern, Hatespeech, Verschwörungstheorien, aber auch Demokratiebildung einnehmen. Hierbei sei es besonders wichtig, so das Kultusministerium, „Potenziale und Herausforderungen/Risiken zu bearbeiten. Kritisches Hinterfragen, Fakten checken und Quellen bewerten zu können sind essenzielle Kompetenzen, um junge Menschen zu kritischen und kompetenten Nutzerinnen und Nutzern von Medien im Allgemeinen sowie Sozialen Medien, KI und Co, im 21. Jahrhundert zu machen.“
In den unteren Klassen soll der Schwerpunkt mehr auf der Medienbildung liegen, in den höheren Klassen mehr auf der Informatik. „Der Informatikanteil soll grundlegende Kompetenzen der Informatik vermitteln, beispielsweise Kompetenzen über das Erlernen einer textuellen Programmiersprache oder grundlegende Einblicke in die Funktionsweise Künstlicher Intelligenz.“
Die Situation an den Schulen
Dirk Lederle hält die Einführung des neuen Pflichtfachs für „hochgradig sinnvoll“, wie er sagt. Der stellvertretende Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBW) Baden-Württemberg kennt die Situation an den Schulen und beobachtet allgemein eine „gewisse Unbedarftheit im Umgang mit der digitalen Welt, sozialen Medien und den eigenen Daten.“ Er „halte es daher für zwingend notwendig, dass die Schülerinnen und Schüler einen mündigen Umgang mit digitaler Technik erlernen – auch, weil nicht vorausgesetzt ist, dass sie diesen im Elternhaus beigebracht oder vorgelebt bekommen.“ Dennoch betont er, dass diese Aufgabe mit der Einführung des neuen Schulfaches nicht allein auf den Schultern der Lehrkräfte lasten darf. „So etwas kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen – Lehrkräfte, Eltern, Vertrauenspersonen.“
Für ihn ist zudem essenziell, dass die Medienbildung nicht in ein anderes Fach integriert wurde, sondern dass eigens dafür ein neues Fach geschaffen wurde – selbst wenn andere Fächer dafür Federn lassen mussten. „Dadurch ist die Chance höher, dass die Kompetenzen seitens der Lehrkräfte entsprechend vorhanden sind. Es ist ja nicht davon auszugehen, dass alle gleich fit in diesen Themen sind.“ Dennoch ist der allseits grassierende Lehrkräftemangel natürlich auch für dieses neue Schulfach ein Problem, wie Lederle betont. „Wir müssen neue Lehrkräfte finden oder die bestehenden dafür qualifizieren.“
Fortbildungen für Lehrkräfte
Dieser Prozess läuft bereits, wie das Kultusministerium mitteilt: „Mit Fortbildungen qualifizieren wir Lehrkräfte, sodass sie das neue Fach unterrichten können. Daneben können die Bedarfe auch über Neueinstellungen gedeckt werden. Die Zahl der Bewerber und Bewerberinnen im Fach Informatik sind in den vergangenen Jahren angestiegen.“ Lehrkräfte können entweder einen Zweijahreskurs Informatik des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) (ZSL) oder den Kontaktstudiengang Informatik und Medienbildung an der Universität Konstanz besuchen. „Geplant sind weitere Fortbildungsmaßnahmen von Seiten des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung für Bestandslehrkräfte, die bereits Erfahrung im Unterrichten von informatischen Inhalten haben, wie zum Beispiel für Lehrkräfte, die bisher schon den Informatik-Anteil von IMP unterrichtet haben oder das bestehende Wahlfach Informatik in der Kursstufe.“
Fest steht aber: Das muss man erst mal leisten können und wollen. Zudem ist das Fach ja mittlerweile Schulalltag. Für Dirk Lederle wäre daher „ein größerer zeitlicher Vorlauf“ dienlich gewesen. „Dann hätte man mehr qualitätvoll ausgebildete Lehrkräfte für diesen wichtigen Neustart.“ Abgesehen davon ist die Spezies einer Informatiklehrkraft durchaus dünn gesät“, fügt er an. „An unserer Schule, der Johanniterschule Heitersheim, haben wir 51 Klassen und mit mir genau drei ausgebildete Informatiklehrkräfte.“
Der fehlende Bildungsplan
Ein weiterer Knackpunkt aus Dirk Lederles Sicht ist das Fehlen eines einheitlichen Bildungsplans. Der wird derzeit erarbeitet und tritt zum Schuljahr 2027/2028 in Kraft. „Die Bildungsplankommission, bestehend aus Praktikern und Fachleuten, erstellt in regelmäßigen Abständen aktuelle Arbeitsstände, die vom Kultusministerium bewertet und gegebenenfalls zur Nachjustierung der Bildungsplanarbeit genutzt werden“, so das Kultusministerium. „Bis dahin wird das neue Fach in den Klassenstufen 5 und 6 nach dem bisherigen Bildungsplan ‚Basiskurs Medienbildung‘ in Kombination mit der Lesehilfe unterrichtet. Die bereits an die Schulen versendete Lesehilfe enthält dazu praxisnahe Hinweise, konkrete Umsetzungsideen und Anregungen zur Vertiefung bestehender Inhalte. Sie dient als Orientierung für Lehrkräfte und hilft, den Übergang zum neuen Fach bis zur Fertigstellung der Bildungspläne sinnvoll zu gestalten.“
Im SWR äußerte sich Medienpädagoge Thomas Knaus insbesondere in Hinblick auf diese Bildungsplankommission kritisch. „Ein zentrales Problem sehe ich darin, dass das neue Fach in zwei voneinander getrennten Teilgruppen erarbeitet wird: einer für Informatik und einer für Medienbildung“, sagt er dort. „Wenn man aber ein gemeinsames Fach plant, müssen die Inhalte auch konzeptionell und didaktisch miteinander verbunden werden. Ansonsten stehen sie nur nebeneinander - oder sogar in Konkurrenz zueinander. Just genau das konnte ich beobachten: Als dann nach ‚absolut unverzichtbaren Inhalten‘ der Medienbildung gefragt wurde, war mein Eindruck bestätigt, dass es am Ende eher um ein Fach ‚Informatik mit ein bisschen Medienbildung‘ geht. Das ist sicher nicht im Sinne der politischen Entscheidungsträger. Und es ist definitiv auch nicht in meinem Sinne.“
Technische Herausforderungen
Dirk Lederle sieht noch ein anderes Problem: Die technische Ausstattung der Schulen im Land. Natürlich zeichnet sich da ein sehr heterogenes Bild – mit bestens ausgestatteten Schulen und Bildungseinrichtungen, deren technische Ausstattung man bestenfalls als ungenügend bezeichnen kann. „Es ist höchste Zeit für den neuen Digitalpakt“, so Lederle. „Im Zuge des ersten Digitalpaktes wurden damals unheimlich viele Geräte angeschafft, die aber mittlerweile nahezu alle veraltet sind. Ich kenne aber nicht viele Kommunen, bei denen man als Schule offene Türen einrennt, wenn man für 150.000 Euro neue Gerätschaften anschaffen will.“ Und was niemand bestreiten wird: Ein aktueller Technikstand und Laptops, die auch performanceintensive Games wie Fortnite bewältigen können, sind essenziell für die Medienbildung und ein tieferes Verständnis von komplexen KI-Mechanismen. Die dafür veranschlagten fünf Milliarden werden dringend benötig.
Halten wir also fest: Es gibt noch viel zu tun. Aber ein Anfang ist gemacht. Und der erste Schritt ist bekanntlich der schwerste.
Weiterführende Informationen
Weitere Links
www.tagesschau.de
Das neue Schulfach bei der Tagesschau
www.swr.de
Wichtige Neuerungen im Schuljahr 2025/26
www.netzpiloten.de
Der Digitalpakt 2.0 einfach erklärt